„Wer braucht noch ein Gesetz zur Kürzung der Mindestsicherung, wenn es den Senat 10 des VwGH, der für Sozialhilfesachen zuständig ist, gibt?“, fragt man sich nicht erst nach dessen letzten Entscheidungen.
Ohne eingehende wirtschaftliche Prüfung der wechselseitigen Verhältnisse, ob der sogenannte Lebensgefährte überhaupt etwas in die Gemeinschaft wirtschaftlich einbringen kann, wie dies der Senat 8, der für Arbeitslosenversicherungsrechtsachen zuständig ist, judiziert, vorzunehmen, unterstellt der Senat 10 offenbar durch das bloße Zusammenwohnen und die Angabe einen gemeinsamen Haushalt zu haben, eine Lebensgemeinschaft. Selber schuld, wer mit anderen Menschen zusammen wohnt.
Bemerkenswert ist, dass dieser Senat auch gleich in der Sache selbst entscheidet, was ansonsten sehr unüblich ist, ganz offenbar, dass ein VwG nicht vielleicht doch noch einmal – vielleicht bei einer differenzierten Überprüfung des konkreten Sachverhalts – zu einer Entscheidung kommen kann, die dem Prinzip der Menschenwürde (Art. 1 UNO-Menschenrechtsdeklaration) entsprechen könnte und dem Einzelfall gerecht wäre.
Stolz wird das Judikat auch noch auf der Homepage des VwGH unter den wesentlichen neuen Entscheidungen präsentiert.
Der Senat 10 ist jener Senat des VwGH, der schon zu den Zeiten des Vorsitzenden Jabloner, damals auch VwGH-Präsident, die Sozialhilfeansprüche, insbesondere nach dem damaligen § 13 Wiener Sozialhilfegesetz, wegjudizierte und Sozialhilfebeziehern, wie von mir anlässlich der Juristenkommission 2005 in Weißenbach am Attersee kritisiert werden musste, auch die Menschenwürde als Grundprinzip, das damals noch im Wiener Sozialhilfegesetz in § 1 verankert war, herunter judizierte, sodass Sozialhilfebezieher so viel Menschenwürde zugebilligt wird, wie der Sozialhilferichtsatz gerade hoch war
(Universitätsprofessor Dr. Wiederin fand die Judikatur des VwGH völlig unkritisch absolut in Ordnung; keiner der erlauchten hochkarätigen juristischen Diskutanten wusste damals, dass die Menschenwürde, um die es ging und Tagungsthema war, in Sozialhilfegesetzen positiv gesetzlich verankert war).
VfGH und VwGH verweigern seit Jahrzehnten – im Gegensatz zum deutschen Bundesverfassungsgericht – eine Sachlichkeitsprüfung nach den in der praktischen Realität gegebenen Bedürfnissen.
Bedauerlicherweise findet sich in der österreichischen Rechtswissenschaft dazu niemand, der sich äußert. Der österreichischen Verfassungsgerichtshof, der als letzte Instanz zur Einhaltung der Sachlichkeitserfordernisse im Sozialhilferecht berufen wäre, gebietet der willkürlichen Judikatur des Senats 10 keinen Einhalt. Arme Menschen sind halt keine Hetha-Gläubiger, gegen deren Enteignung der VfGH ruckzuck zur Stelle war.
Bei dieser Judikatur des Senats 10 (verwiesen sei auch auf ein jüngst ergangenes – meines Erachtens klar gesetzwidriges – Judikat mit der vollständigen Beseitigung der Mindestsicherung wegen angeblicher Arbeitsunwilligkeit) ist die derzeitige Diskussion um die Deckelung der Mindestsicherung ohnehin ein sogenanntes Orchideenthema.
Arme haben bedauerlicherweise kein wirtschaftliches Potenzial um Rechtsgutachten zur kritischen Hinterfragung sie betreffender Rechtsfragen in Auftrag geben zu können.
Arme gehen auch nicht auf die Straße, oder möglicherweise auf den Judenplatz (wo der VwGH zu Hause ist), um gegen ihre Erniedrigung durch furchtbare Juristen zu demonstrieren.
So ist doch die gute alte Gott gewollte Hackordnung gewährleistet, („odr?“ – sagt „der Vorarlberger“).
Mit freundlichen (kollegialen) Grüßen
ein ergrimmter
Rechtsanwalt